12/09/2022
Der Grenzgänger Karl Rödel
Biografie des Künstlers
Die Herkunft
Rödels Vater war Kunsthandwerker
und Schreiner und auch sein Sohn entschied sich zunächst für eine
Handwerkslehre, die sein späteres Werk Zeit seines Lebens beeinflussen sollte.
Es war während seiner Lehrjahre, dass er das erst Mal mit der damaligen
Kunstgewerbeschule auf der Burg Giebichenstein in Kontakt kam. Sieben Jahre
später war er ausgebildeter Schreiner, sehnte sich aber nach mehr
künstlerischem Tiefgang und bewarb sich an der „Burg“. Er wurde schnell als
talentierter und fleißiger Schüler erkannt und lernte die folgenden Jahre unter
Halleschen Größen wie Charles Crodel, Gerhard Marcks und Herbert Post. Nach
seiner Grundausbildung kehrte er Halle zunächst den Rücken und besuchte die
Akademie zu Leipzig, bildete sich zum Restaurator fort, reiste durch Europa und
zog schließlich nach Berlin. Trotz seiner neuen Anstellung als Restaurator im
Schloss Museum Berlin blieb er der bildenden Kunst immer verpflichtet und richtete
sich seine Wohnung mit angeschlossenem Atelier ein.
Die Trümmer
Die Burg
Sein malerisch-expressiver
Ausdruck korreliert deutlich mit der künstlerischen Haltung der halleschen
Maler seiner Zeit und seiner näheren Umgebung. Der Einfluss seiner Lehrer und
Freunde war prägend für seinen Stil. Rödel nahm seine Umwelt mit scharfen Augen
war. Er arbeitete mit gezielter Abstraktion und dem Einsatz von Farbe die
wesentlichen Aspekte seiner Wahrnehmung heraus. Viele andere Künstler seiner Zeit
neigten dazu, sich in unübersichtlichen Details zu verlieren, aber nicht Rödel.
Er wollte seine Inspiration künstlerisch-prägnant, aber gefühlvoll übermitteln
und schuf zumeist figürliche Druckgrafik mit einer ausgeprägten Farbigkeit und
dunkler, gedeckter Palette. Seinen Bildern und Blättern liegt oft etwas
Romantisches oder gar Melancholisches inne. Seiner Arbeit als Restaurator
verdankt er ein überdurchschnittliches Verständnis für das Material, seine
Eigenheiten und Möglichkeiten und er verstand es, einen meisterlichen Einklang
von Motiv und Material zu schaffen. Diese Einsicht und die damit verbundene
sorgfältige Auswahl seiner Blätter, Bögen, Leinwände und Druckstöcke bildet
einen der herausragenden Faktoren des Werks Rödels. Mit stets waltender
Sorgfalt und immerwährender Achtung vor dem Werkstoff gelang ihm die Veredelung
seiner ausdrucksvollen Arbeiten.
Karl Rödels Holzschnitte sind markant und klar, die Lithografien spielen oft mit einer malerisch bewegten Naturkulisse. Die Malerei lässt teils noch deutlich die Einflüsse von seinem Lehrer Charles Crodel erkennen, dessen Haltungen und Ansichten, zum Leben und den Menschen und die Einbindung eben dieser ins Werk, zeitlebens Einfluss auf Rödels Kunst nahmen. Auch wenn Karl Rödel in späteren Jahren seine Kunst einer deutlichen Transformation unterzog, bleibt die unterliegende Handschrift des Lehrers doch immer zumindest erahnbar.
Die Zeit an der „Burg“ legte auch den Grundstein für Rödels Experimentierfreudigkeit, die besonders in der figurativ geprägten Kunsttheorie der DDR als außergewöhnlich gelten kann. Dies wird besonders in seinen Arbeiten aus dem Halleschen Bergzoo und seinen theaterhaft inszenierten Drucken deutlich. Im Zoo verbrachte er viel Zeit mit Studien der dort lebenden Tiere und nicht selten verlegte er seinen Unterricht in den Tiergarten zur Freiluftstudie. In allerlei Variation bevölkern die geliebten Tiere, zu denen er auch eine persönliche Bindung aufbaute, sein Gesamtwerk. In experimenteller Farb- und Formgebung, die für seine Zeit geradezu exzeptionell sind, hielt er die Tiere immer wieder fest. Auch theaterhafte Inszenierungen treten während seiner Zeit in Halle immer häufiger auf, besonders in Verbindung zu den legendären Festen, die auf Burg Giebichenstein für Schüler, Lehrer und Freude gegeben wurden. Karl Rödel blieb hier besonders als Initiator der ausschweifenden Festivitäten im Gedächtnis. Die Feste wurden nicht nur zur Lustbarkeit der Teilnehmenden veranstaltet, sondern dienten auch zur nachhaltigen Inspiration der Künstler. Rödel arbeitete die erlebten Szenen auf und reduzierte gezielt Inhalt und Staffage. Damit erreichte er eine überhöhte Inszenierung der Bildkomposition, die jeder Bewegung, jedem Element und jeder Farbfläche eine besondere Bedeutsamkeit zuweist. Ähnliche, so prägnant aufs Wesentliche reduzierte, Szenen finden sich auch später in den 50er und 60er Jahren in Rödels Kirchenmalereien und Glasfenstern, die er in Mannheim und Umgebung geschaffen hat.
Der Umbruch
1952 erfolgte ein tiefer Einschnitt in die Lebens- und Arbeitsidylle Rödels. Er wurde aus der Lehrposition entlassen und musste gezwungenermaßen aus der geliebten „Burg“, die ihm über so viele Jahre Heim und Heimat geboten hatte, ausziehen. Er und seine Familie siedelten nach Mannheim über und Rödel gründete eine private Kunstschule. Dort lehrte er nach halleschem Vorbild und aus eigener Überzeugung die Beherrschung des Künstlerhandwerks, das ihm in Perfektion als der einzige Weg galt, wirkliche Kunst schaffen zu können. Dominierten zunächst noch hallesche Formen und Farben in seinem Werk, adaptierte er doch bald neue Elemente in seine Kunst und entwickelt sie hin zu neuen Formen und einer sich stetig von der Wirklichkeit lösenden Darstellungsform. Er experimentiert mit neuen Druckverfahren, nutzt typografische Elemente und verbindet sie zu ungewöhnlichen Collagen. Die Farbe als eigenständiges Gestaltungsmittel tritt merklich in den Vordergrund, wird präsenter und kräftiger und beinhaltet leuchtende Rot- und Blautöne. In der DDR dominierten figürliche Darstellungen die Kunst, vereinnahmt von der Propaganda des Sozialismus wurde die Abstrahierung geächtet und verschmäht. In Westdeutschland jedoch drückte die abstrakte Kunst Freiheit und Fortschritt aus. Auch Rödel experimentierte mit immer abstrakteren Formen, doch verlor er nie vollständig den Bezug zum Gegenstand und blieb seiner Liebe zur Figur immer verpflichtet, wie einzelne Arbeiten aus dieser Zeit beweisen. Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich. Rödel, der sich schon früher als aufgeschlossen gegenüber den Strömungen seiner Zeit bewiesen hat, erkannte die Tendenzen der westdeutschen Kunst und setzte sie gekonnt mit seinem eigenen Stil in Verbindung. Es entstanden Werke, die sein handwerkliches Geschickt mit der Ehrfurcht vor dem Material und der malerischen Kreativität verbanden.
Über die Jahre hinweg entwickelt sich seine Kunst weiter. Ender der 1960er Jahre begann er Techniken zu mischen. Er erarbeitete sich neue Druckmethoden und abstrahiert, verdichtet, überarbeitet. Zeichen, Symbole und Typografien werden auf seinen Arbeiten zu einem dichten Netz verwoben. Vielschichtig und technisch divers nutzte Karl Rödel sein ganzes technisch-künstlerisches Können in diesen Blättern.
Doch ähnlich Pablo Picasso, dessen strengem Kubismus auch eine Neuordnung der Fragmente zu einem neuen malerischen Ganzen folgte, begann auch Karl Rödel seine engmaschigen Zeichensysteme aufzulösen und sie wieder zu Figuren zusammenzufügen. Er ordnete seine Farbflächen, Typografien und Druckelemente, wies ihnen einen Platz zu und erarbeitete sich daraus eine neuartige Ausdrucksform. Eine neue Kombination von figurativen und abstrakten Elementen trat in seiner Kunst zutage. Schließlich, so scheint es, hat er eine Harmonie erreicht zwischen den beiden Kunstströmungen, mit denen er im Laufe seines Lebens in Kontakt kam. Die von der Burg Giebichenstein geprägte figurative Malerei und Druckgrafik lebt als eigenständiges und gleichberechtigtes Element neben den abstrakten Formen und Flächen der westdeutsch geprägten Neigung in gemeinsamer Harmonie und Verschränkung. Rödel verfeinerte seinen Stil nachhaltig, arbeitet die Faktoren heraus, die ihn von seinen westdeutschen Kollegen unterschieden und machte sich somit einen Namen in Mannheim und Umgebung als außergewöhnlicher Künstler.
Der Künstler
Karl Rödel ist ein Grenzgänger, ein Künstler, der es vermochte in seinem Werk die Elemente west- und ostdeutscher Kunst zu vereinen, ohne wertend oder bevormundend zu wirken. Zwei politische Strömungen, figurative und abstrakte Kunst, Handwerk und Kreativität kommen in seinem Werk zusammen und bilden schließlich ein stimmiges Ganzes.